Ein absolutes Highlight der Automobilgeschichte ist und bleibt der Mercedes-Benz 300 SL Flügeltürer oder Gullwing, wie er in den USA genannt wird.
Die Geschichte des W198 beginnt jedoch bereits rund zwei Jahre vor seiner Serienfertigung im Frühjahr des Jahres 1952 und zwar mit der Entwicklung des ersten Mercedes-Benz Sportwagens der Nachkriegsgeschichte mit der internen Bezeichnung W194. Nach den ersten kläglichen Versuchen im Jahre 1951 mit einem über 10 Jahre alten Vorkriegsmodell an die alten Erfolge im Rennsport anzuknüpfen, entschied man sich im Hause der Daimler-Benz AG einen neuen, nicht Formel Sportwagen für die damals wichtigen Sportwagenrennen in Le Mans und Spa, vor allem aber auch für die Mille Miglia, die Targa Florio und die berühmte Carrera Panamericana zu produzieren.
Das antizipierte Ziel von Ideengeber und Generaldirektor Dr. Wilhelm Haspel und Rudolf Uhlenhaut, Leiter der Technikabteilung bei Mercedes, war es einen Super – Sportwagen der 200 PS Klasse zu entwickeln. Da jedoch die Entwicklung eines neuen Motor- und Antriebsstrangs zu teuer gewesen wäre, bediente man sich dem 115 PS starken Aggregat der großen 3 Liter Limousine, besser bekannt als “Adenauer Mercedes”. Verglichen mit der Motorleistung der damaligen Konkurrenz aus dem Hause Ferrari, die mit Ihren Ferrari 250 S ein Fahrzeug mit 240 PS auf die Rennstrecke schickten, erkannte man bei Daimler früh, dass ein auf 177 PS leistungsgesteigerter Motor alleine nicht die gewünschten Erfolge bringen würde. So steckte man viel Zeit und Energie darein nicht nur ein besonders schnelles, sondern vor allem auch ein besonders aerodynamisches und leichtes Fahrzeug zu entwickeln um zur Konkurrenz aufschließen zu können.
Die Entwicklung eines vollkommen neuartigen, leichten Gitterrohrrahmens, erlaubte es das Gewicht des Karosserierahmens selbst auf nur 50 Kilogramm zu reduzieren. Der schräg eingebaute Motor des Mercedes-Benz 300 “Sport Leicht” (SL) ermöglichte zudem die Entwicklung einer flachen, stromlinienförmigen Karosserie mit in die Kotflügel gezogenen Scheinwerfern und vollständige von der Karosserie umschmeichelten Radläufen und einem neuartigen, flach über dem Boden liegenden Kühlergrill mit großem Mercedes-Benz Stern. Ergänzt durch einen extrem schräg stehenden, abgerundeten Coupéaufbau wurde so ein ganz hervorragender Strömungswiderstandskoeffizient (cW-Wert) von nur 0,25 möglich. Um zudem eine möglichst hohe Rahmenstabilität zu gewährleisten entschied man sich zudem dazu den Gitterrohrrahmen im Bereich der Fahrgastzelle möglichst breit und hoch zu gestalten, was das Ein- und Aussteigen aus dem Fahrzeug extrem verkomplizieren sollte. In der Konsequenz bedeutete dies außerdem, dass der Türausschnitt beim 1952er Mercedes-Benz 300 SL (W194) erst oberhalb der Gürtellinie beginnen konnte, so dass man sich dazu entschied den Türausschnitt bis in das Dach hinein zu verlängern und die Türen nach oben öffnend, an der Dachkonstruktion anzuschlagen.
Ursprung einer Legende, denn ohne diesen Kniff der Konstrukteure hätte das Mercedes-Benz 300 SL Coupé sehr wahrscheinlich nie die für Ihn so typischen Beinamen wie Flügeltürer, gull wing (Möwenflügel), wie man es im englischsprachigen Raum nannte oder aber auch papillon (Schmetterling), wie man es in Frankreich nannte, tragen.
Doch nicht nur optisch fand der Mercedes-Benz 300 SL Flügeltürer zuspruch, auch die gewünschten Rennerfolge für den Mercedes “Sport Leicht” folgten prompt, so dass man 1952 bereits erste Doppel- und Dreifachsiege beim Preis von Bern, dem 24-Stunden Rennen von Le Mans sowie dem Eifelrennen am Nürburgring feiern konnte.
In den Folgejahren wurden an weiteren Prototypen die Form und Technik des Mercedes-Benz 300 SL weiter optimiert, so leitete man ab 1953 die Motorabwärme nicht mehr durch den Kardantunnel nach hinten ins Freie sondern wesentlich strömungsgünstiger durch zwei Seitenkiemen in den Kotflügeln. Durch das adaptieren der bereits aus dem Flugzeugbau bekannten Benzindirekteinspritzung entstand zuletzt doch noch ein komplett neuer Motor, der mit 215 PS dann auch endlich die von Anfang an gewünschte Leistung produzierte.
Die Serienproduktion des Mercedes-Benz 300 SL war zunächst gar nicht geplant, doch der Ruf der Öffentlichkeit, vor allem aber auch einiger wichtiger US-amerikanischen Importeure nach einem neuen Daimler-Benz Sportwagen überzeugten den Vorstand letztendlich, so dass man im Februar 1954 auf der „International Motor Sports Show“ in New York den ersten Serien SL mit der internen Bezeichnung W198 präsentiert wurde – die heute bekannte Legende, der Mercedes-Benz 300 SL war geboren.
[Text: Caracho.tv]
[Fotos: Daimler AG & Caracho.tv]
Related posts: