Eine anglo-amerikanische Mischung technischer Finessen unter dem Namen eines Mannes, den man mit Weltrekorden in Verbindung brachte: Railton
Ein Railton Straight 8 – Reihen Achtzylinder ist so ziemlich all’ das was man sich schon als Kind von einem Auto gewünscht hat. Ein Automobil reduziert auf seine Urform, mit einer langen, kantigen Motorhaube, zwei riesigen Frontscheinwerfern, geschwungen, nach hinten gezogenen Radkästen und einem, sich wie eine Schiebermütze anschmiegendem, Verdeck.
Doch wofür steht die heute fast vergessene Marke Railton eigentlich? Wer stand hinter dem Railton Straight 8 und was machte ihn so einzigartig? Fragen die sich heutzutage bei fast jeder anderen Marke relativ leicht mit einer Suche bei Wikipedia beantworten lassen – doch bei Railton wird es auch bei besagter Enzyklopädie recht eng.
Grund genug für uns, ein wenig länger als sonst zu recherchieren und zunächst erst einmal ein wenig Aufklärungsarbeit für die Marke, die inzwischen vollkommen zu unrecht ein Leben im Schatten von Aston Martin, Lagonda und Bentley fristet. Railton, eine Marke die nach Ihrem Schöpfer Reid S. Railton benannt wurde. In den frühen 30er Jahren bereits bekannt als Chefingenieur der erfolgreichen britischen Tuning-Firma Thomson & Taylor, sorgte Reid S. Railton für kontroverse Diskussionen als er sich entschloss in den alten Fabrikhallen von Sir Oliver Lyle, Schöpfer des Invicta, klassisch-elegante, britische Karosserien mit den leichten aber großvolumigen amerikanischen Reihen-Achtzylinder Chassis der Marke Hudson zu kombinieren.
Ganz im Gegensatz zu den relativ schweren britischen Sportwagen der frühen 30er Jahre entstand so ein relativ kleiner und leichter, stark motorisierter „leichter Tourenwagen“ mit dem Namen Railton Straight 8. Wenn auch nicht ganz so schnell wie der neue Lagonda M45 oder der noch immer erhältliche Invicta Typ S, wartete der rund 300 Pfund billigere Railton mit einem ganz hervorragenden Beschleunigungswert von 7,2 Sekunden für den Sprint von Tempo 0 auf 80 km/h auf und musste die lokale Konkurrenz dementsprechend kaum scheuen. So wundert es auch kaum, dass man Reid Railtons leichten Tourenwagen schon bald bei zahlreichen Bergrennen, Rallyes und Wettbewerben bewundern durfte. Mehrere Male nahm ein Railton Straight 8 sogar an der Rallye Monte Carlo teil und landetet 1934 sogar auf einem dritten Platz in der Gesamtwertung. Doch nicht nur auf der Rennstrecke macht der Railton Straight 8 eine gute Figur, eine in Yorkshire aufwendig ausgerüstete Tourenlimousine gewann im Jahr 1935 den Concours d’Elégance und der Railton Eight Sandown Saloon wurde zwischen 1937 und ’38 von den Flying Squads des Scotland Yard für die Verbrecherjagd eingesetzt. Die Marke Railton etablierte sich. Mit den über die Jahre steigenden Ansprüchen der Kundschaft stieg leider jedoch nicht nur die Anzahl der zur Verfügung stehenden Ausstattungsoptionen sondern vor allem auch das Gewicht der Fahrzeuge. Die Anzahl der bestellten Saloon Modelle übertraf schon bald die Anzahl der Roadster oder Tourenwagen Modelle so dass der Railton immer mehr zu einer reinen Repräsentation-Limousine „verkam.“ Der Ruhm und die Sportlichkeit der Marke verblassten. Mit Ausbruch des zweiten Weltkriegs wurde die Produktion dann schlussendlich eingestellt. Zwar wurde die Produktion nach Kriegsende noch einmal mit Einzelradaufhängung und moderner Lenkradschaltung aufgenommen, doch erwiesen sich die neuen 1948 vorgestellten Fahrzeuge als unverkäuflich so dass die Produktion endgültig eingestellt wurde und die Geschichte der Marke endete.
Doch wie so oft kommt es manchmal anders als man denkt und so erreichte uns vor kurzem der Anruf eines Freundes eines Bekannten, seineszeichen Besitzer eines wunderschönen Railton aus dem Jahre 1934. “Ich glaube ich habe da etwas das Euch interessieren könnte” ertönte die Stimme am anderen Ende der Leitung. “Wie wahr”, dachten wir uns nach kurzer Recherche und machten uns auf dem Weg zu unserem neusten “Will haben des Tages” – einen wunderschön erhaltenen, grünen Railton Straight 8. Die beiden riesigen, für Fahrzeuge der Marke Railton so charakteristischen „ P100“ Scheinwerfer, wirken kraftvoll und bedrohlich, zu Recht, denn unser 1934er Railton Straight 8 ist anders als die Fahrzeuge zu Beginn der Produktion ein Jahr zuvor, bereits mit dem großen 4,2 Liter Motor ausgestattet, der dem Straight 8 später auch zu seinem sportlichen Ruhm verhelfen sollte.
Die 4168 cm3 des Reihen – Achtzylinder leisteten ca. 116 PS und machten den Railton zu einem der wenigen „100 Meilen“ Autos seiner Zeit. Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 161 km/h waren also möglich. Auch bekannt als Pre-War Cobra ist der Railton Straigth 8 ein echter Spaßwagen, ein Auto für Oldtimer Enthusiasten, Schrauber und Vorkriegs-Einsteiger. Die Historie des Berliner Fahrzeugs ist dank des Railton Owner Clubs in Großbritannien lückenlos belegt. Als Fahrzeug mit „echter Historie“ haben die derzeitigen Besitzer unzählige Rallyes und Oldtimer – Ausfahrten erfolgreich bestritten. Der Wagen ist originalgetreu erhalten und wurde von einer Fachfirma sowie dem Eigener regelmäßig gepflegt und gewartet – ein echtes Sammlerstück also.
Entwickelt von einem für Weltrekorde verantwortlichen Ingenieur, ist der Railton Straight 8 heute noch mehr als früher ein wirklich besonderer Oldtimer, eine Rarität und wohl kaum ein zweites mal auf der Welt auf genau die gleiche Art und Weise zu finden. Ein Automobil, das Freude, Fahrspaß und Historie versprüht egal wo es auftaucht. Für uns ein echtes Oldtimer Will haben!!!
[Text: Christian Plagemann für Caracho.tv]
[Fotos: Caracho.tv]
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Der Railton Straight 8 bzw. Railton Straight Eight ist einfach ein super Oldtimer! Ich kam schon selbst einmal in den Genuß den Railton Straight 8 Live und in Farbe zu sehen und auch den Motor des Railton Straight Eight zu hören! Ein ganz besonderes Erlebnis war dann die leider sehr kurze Ausfahrt im Railton Straight 8 die aber sehr viel Spaß gemacht hat. Kann ich jedem Railton Fan nur empfehlen!
Gratuliere zu Ihrem guten Artikel. Ich bin seit 35 Jahren Besitzer eines Railton Carbodies Tourer 1936 Straight 8. Ein wunderbarer Wagen der überall bewundert wird.